Büroräume der Zukunft

Bürofläche

Unser Arbeitsraum beeinflusst, wie wir uns fühlen, arbeiten und miteinander interagieren. Dabei unterscheiden sich verschiedene Konzepte darin, ob wir einen festen Arbeitsplatz haben, mit wie vielen Personen wir uns einen Raum teilen und wie dieser ausgestattet ist. Hierbei stellt sich die Frage, welche Büroraumkonzepte Zukunft haben, wie Arbeitsräume optimal gestaltet werden und wie dies durch die Zunahme hybrider Arbeitsformen beeinflusst wird. Auf diese und weitere spannende Fragen antwortet Prof. Dr. Christine Kohlert, Professorin an der Mediadesign Hochschule in München und der Fachhochschule in Augsburg.

 

Wie sollten Büroräume gestaltet sein, um die Produktivität und Zufriedenheit der Beschäftigten bestmöglich zu fördern?
Christine Kohlert: Das Wichtigste in meinen Augen für die Zukunft ist die Wahlfreiheit der Mitarbeiter/innen hinsichtlich Ort und Zeit. Diese Wahlmöglichkeiten fördern auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen. Schon länger hat sich die Gestaltung von Arbeitsplätzen weg von traditionellen Einzelbüros hin zu einer offenen, dynamischen und sozialen Umgebung entwickelt. Dieser Wandel hat auch dazu geführt, dass Unternehmen besser in der Lage sind, Talente anzuziehen, die sich von einer entspannten und energiegeladenen Atmosphäre angezogen fühlen. Arbeitswelten durchlaufen immer wieder radikale Veränderungen, nicht nur durch eine andere Art der Arbeit, künstliche Intelligenz, mehr Schnelligkeit und Reagieren auf Märkte sowie Krisen wie Pandemien oder wirtschaftliche Notlagen, sondern auch durch die Menschen. Vor allem durch diejenigen, denen Flexibilität in Bezug auf den Zeitpunkt ihrer Arbeit und den Ort, an dem diese Arbeit stattfindet, wichtig ist.

In Ihrem Buch „Space for CREATIVE Thinking“ bebildern Sie erstaunliche Arbeitsräume für kreatives Arbeiten. Was ist das Erfolgsrezept solcher Arbeitsräume? Welche Relevanz hat dieses Konzept für kleine und mittelständige Unternehmen mit hohem Produktionsanteil?
Christine Kohlert: Arbeitswelten, die eine kollaborative und kreative Arbeitsweise fördern, haben ihren Weg schon länger in alle Arbeitsbereiche gefunden, weit über Tech- und Startup-Unternehmen hinaus. In Zukunft wird sich der Arbeitsplatz flexibel an das Unternehmen und die Mitarbeiter/innen anpassen und nicht umgekehrt. Mitarbeiter/innen haben viele unterschiedliche Aufgaben, aber auch wechselnde Bedarfe und Anforderungen. Diesen müssen sich die Räume und das Mobiliar jederzeit anpassen. Eine Forderung, die nicht neu ist, schon 1987 sagte Max Depree "We need to give each other the space to grow, to be ourselves, to exercise our diversity. We need to give each other space so that we may both give and receive such beautiful things as ideas, openness, dignity, joy, healing, and inclusion." (Herman Miller: Leadership is an Art).
Die Krise hat viele Dinge beschleunigt, über die man schon seit vielen Jahren nachgedacht hat, aber oft nicht in der Lage war, alte Vorgehensweisen zu verändern oder nicht der Mut da war für das notwendige gegenseitige Vertrauen. Wirklich erfolgreiche Teams brauchen auch ein Gefühl der Sicherheit, dabei geht es vor allem um psychologische Sicherheit sowie ganz viel Vertrauen in alle Richtungen: im Team, zwischen den MA und von Führung zu MA. In Zukunft geht es auch ganz stark um Eigenverantwortung und kreative Räume sowie darum Wahlfreiheit zu fördern und zu unterstützen, egal wie groß ein Unternehmen ist. Arbeitsplätze sollten auch Orte sein, an denen alle Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit, der Freude und der eigenen Bedeutung haben. Diese Freude an der Arbeit fördert Innovation und kreatives Denken. Die Bestätigung der eigenen Bedeutsamkeit motiviert Menschen, ihre Vorstellungskraft und Kreativität für Herausforderungen einzusetzen.

Unsere Studien im Projekt MEgA zu modernen digitalen Arbeitsformen zeigen deutlich einen Trend zu zeit- und ortsflexibler Arbeit. Wie verändert die Zunahme von Homeoffice und hybriden Arbeitsformen die Gestaltung von Büroräumen im Unternehmen?
Christine Kohlert:
Aus der Mitarbeiterperspektive ist der Wandel massiv und sehr folgenreich: Die Menschen treffen neue Entscheidungen darüber, wo sie leben wollen und schaffen neue Erwartungen an Flexibilität, Arbeitsbedingungen und Lebensbalance. Die Mehrheit der Mitarbeiter/innen möchte nie wieder zur alten Arbeitsweise zurückkehren, viele wünschen sich ein hybrides Arbeitsmodell, das pro Woche einige Tage remotes Arbeiten zulässt. Sie wissen Flexibilität zu schätzen, vor allem diejenigen mit langen Pendelzeiten. Von Zeit zu Zeit ist jedoch Interaktion von Angesicht zu Angesicht erforderlich, um die Zusammenarbeit zu erleichtern, Beziehungen aufzubauen, komplexe Herausforderungen zu lösen und Ideen zu generieren. Hinzu kommt, dass kontinuierliche Remote-Arbeit den Arbeitstag oft verlängert, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verwischen und zu Vereinsamung führen kann.

Das hybride Büro wird auf Interaktivität und Zusammenarbeit ausgelegt sein, um die Zeit, die die Mitarbeiter/innen miteinander verbringen, maximal auszunutzen. Hier werden die Arbeiten erledigt, die besser für die Büroumgebung geeignet sind und Personen, die das Büro vorziehen, werden diese Umgebung nutzen. Zuhause werden Aufgaben durchgeführt, die selbstständig erledigt werden können oder eine höhere Konzentration erfordern. Das hybride Büro wird mehr Team- und Rückzugsräume haben als offene Bürokonzepte. Arbeitsplätze werden weniger dicht und teilweise mit Trennwänden versehen sein. Biophilic Design (das Schaffen von natürlichen und naturnahen Umgebungen) und die Verwendung natürlicher Elemente wird im Hybridbüro weiter an Popularität gewinnen. Studien zeigen immer wieder, wie wichtig Natur für Gesundheit und Wohlbefinden sind und dabei helfen, Stress zu reduzieren und zu entspannen.

In den letzten Jahren gab es einige Trends im Bereich Büroraumkonzepte – Stichwort Open Spaces, Shared Desks und Coworking Spaces. Welche dieser Entwicklungen haben Ihrer Meinung nach Zukunft?
Christine Kohlert:
Es wird eine Mischung sein aus Open Space – Home-Office und 3. Orten. Die Pandemie hat gezeigt, Arbeit ist eine Aktivität, nicht ein Ort, beide sind entkoppelt. Es gilt die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Menschen motiviert und inspiriert werden, eigenverantwortlich arbeiten und sich entwickeln können. Mitarbeiter/innen sind gut ausgebildet, kompetent und zu eigenständigen Entscheidungen fähig, deshalb brauchen sie Freiräume, sich zu entwickeln. Kreativität und Innovation generieren sich immer aus dem Wechselspiel konzentrierter Einzelarbeit und kommunikativer Teamarbeit, deshalb braucht es ruhige komfortable Rückzugsbereiche, entspannte Regenerationsbereiche für Kontemplation und zum Nachdenken und dynamische, anpassbare Teambereiche, für freie und sichere Meinungsäußerung. Ein Arbeitsplatz also, der das Wohlbefinden fördert und die Möglichkeit bietet, von dem Ort aus zu arbeiten, der für die anstehende Aufgabe am besten geeignet ist.

Unternehmen müssen jetzt überlegen, was schon sehr gut funktioniert und die eigenen Mitarbeiter/innen in die zukünftige Gestaltung aktiv mit einbeziehen. Wenn die Menschen ins Büro kommen sollen, muss es dort attraktiv, dynamisch und stimulierend sein. Die Arbeitsumgebung muss die Kultur und die Werte einer Organisation widerspiegeln und nach innen und außen prägen. So sind gute Orte ein Beitrag zum Unternehmenswert. Die Freiheit aus einem vielfältigen Angebot an tätigkeitsorientierten Zonen im Büro, dem Home-Office oder von unterwegs den besten Arbeitsort zu wählen – dieses Vertrauen in die Mitarbeiter/innen, schafft motivierende Organisationen, die in der Zukunft der Arbeit gewinnen werden. Dabei geht es um die Freiheit selbst entscheiden zu können, wie, wo und wann man die Arbeit erledigt, um das beste Ergebnis zu erzielen.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die drei wichtigsten Aspekte, die es bei der Umsetzung neuer Büroraumkonzepte zu beachten gilt?
Christine Kohlert:
Präsentismus (das Arbeiten trotzt akuter Krankheit, aber auch das Gefühl anwesend sein zu müssen, um der Führung das Gefühl zu vermitteln, sie sieht, dass man arbeitet) und eine vergiftete Organisationskultur erfordern enorme emotionale Energie und schaffen Stress. Deshalb sollte in einem erfolgreichen Unternehmen der Mensch im Mittelpunkt stehen sowie eine gute Arbeitsatmosphäre und nicht Markenwerte und Einsparung von Fläche. Dazu kommen noch Gesundheit für alle und Wohlfühlen sowie das richtige Maß an Flexibilität und Veränderbarkeit durch die MA..

Christine Kohlert ist Professorin an der Mediadesign Hochschule in München und der Fachhochschule in Augsburg. Ihr Schwerpunkt sind Lern- und Arbeitswelten der Zukunft mit einem besonderen Fokus auf das Zusammenspiel von Raum und Organisation. Sie betreute über 10 Jahre lang verschiedene Forschungsprojekte am MIT (Massachusetts Institute of Technology) und sowie viele renommierte Kunden weltweit in Ihrer Tätigkeit als Architektin und Stadtplanerin.

Das Interview führte Betty Busam