
Glück, Leid, Hoffnung – im Umgang mit Patienten, Angehörigen oder Kollegen erleben Pflegekräfte häufig intensive, emotionale Erfahrungen. Wie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Empathie und Selbstschutz gelingt, lernen Pflegende im Projekt „Pflege für Pflegende: Entwicklung und Verankerung eines empathiebasierten Entlastungskonzepts in der Care-Arbeit“ (empCARE), das nun seinen Abschluss findet. Welche Ergebnisse das Projekt erzielt hat, erläutern uns Prof. Dr. Marcus Roth, Professor für Differentielle Psychologie an der Universität Duisburg-Essen, und Andreas Kocks vom Universitätsklinikum Bonn.
Empathie in der Pflege – ist das nicht „Falle“ und „Ausweg“ zugleich?
Prof. Dr. Marcus Roth: Ja, das kann man tatsächlich so formulieren. Entscheidend ist dabei allerdings nicht unbedingt das Ausmaß an Empathie. Prinzipiell kann es kein „zu viel“ an Empathie geben. Ein funktionaler Umgang mit Empathie ist jedoch besonders wichtig, insbesondere auch – und das ist der primäre Fokus in unserem Projekt – mit Blick auf das eigene Wohlbefinden im Beruf.
Gibt es Erkenntnisse aus dem Projekt empCARE, welche Auswirkungen empathisches Verhalten auf die Pflegekräfte hat?
Andreas Kocks: Empathie ist die geniale Fähigkeit, sich in das Erleben und in die Gefühle anderer Menschen hinein versetzen zu können und ebenfalls gleiche oder zumindest ähnliche Emotionen wie der andere zu empfinden. Pflegende können hierbei besonders gefährdet sein, selber am erlebten Leid zu leiden und daher in entsprechenden Situationen abwehrend zu reagieren. Mit empCARE stellen wir die Selbstpflege der Pflegenden ins Zentrum, indem wir den Bedürfnissen der Pflegenden selbst Raum geben. Um Institutionen und Pflegekräfte zu unterstützen, haben wir im Projekt das empCARE Training entwickelt, ein empathiebasiertes wissenschaftlich fundiertes Entlastungskonzept.
Wie ist das empCARE Training aufgebaut? An wen richtet sich das Training?
Prof. Dr. Marcus Roth: Das Training vermittelt Kenntnisse über den Prozess der menschlichen Empathie sowie über Auswirkungen auf der Verhaltens- und Erlebensebene. Dies geschieht unter anderem in Form von geleiteten Diskussionen und Rollenspielen. Für eine Sicherung des Trainingserfolges werden nach dem zweitägigen Training Coachingsitzungen angeboten, bei denen die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in den beruflichen Alltag im Fokus steht. Prinzipiell richtet sich das Training an Pflegekräfte aus allen Bereichen.
Wie werden Sie das Training verbreiten und verankern, sodass möglichst viele Pflegende davon profitieren können?
Andreas Kocks: Aktuell haben wir empCARE am Universitätsklinikum Köln, dem Universitätsklinikum Bonn und dem ambulanten Intensivpflegedienst Aaron erprobt, untersucht und mit den Kollegen weiterentwickelt. Neben den initialen Schulungen hat sich insbesondere die langfristige Begleitung mit Coaching über ein Jahr als sehr positiv erwiesen. In Bonn haben wir zusätzlich einen Versuch mit Multiplikatoren gestartet und sind begeistert, mit wie viel Engagement die Kolleginnen und Kollegen die nötigen Anpassungsleistungen an die Herausforderungen vor Ort geleistet haben. Mit Abschluss des Forschungsprojektes werden wir empCARE über ein Verbreitungskonzept dann auch anderen Einrichtungen anbieten. Wir merken jetzt schon, dass der Bedarf und das Interesse sehr groß sind.
Einladung zur Abschlusstagung am 4. Oktober 2018 in Bonn:
Das Projekt empCARE lädt am 4.10.2018 zur öffentlichen Abschlusstagung nach Bonn ein. Mit Einblicken in das Projekt, das entwickelte Training und seine Umsetzung bietet die Abschlusstagung einen spannenden Austausch und eine abwechslungsreiche Diskussion rund um das Thema Empathie zur Entlastung in der Pflege. Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie unter www.empcare.de oder https://de.xing-events.com/TOSJWZX.html
Das Interview führte Marie Louise Posdzich.