Entlastung gesucht: Wie gesunde Arbeit im technologischen Wandel gestaltet werden kann! Das Projekt GAP

Roboter in Fabrik arbeitet Menschen zu

Das Projekt „Gesunde Arbeit in Pionierbranchen“ (GAP) unterstützt Unternehmen in der digitalen Transformation, Entlastungspotenziale für Beschäftigte zu identifizieren und zunehmende Belastungen zu reduzieren. Maximilian Bretschneider (Technische Universität Dresden) und Dr. Thomas Engel (Friedrich-Schiller-Universität Jena) resümieren erste Ergebnisse und zeigen auf, warum neue Wege der Arbeitsgestaltung im Zuge des technologischen Wandels unerlässlich sind.

Technologischer Wandel und Arbeits- und Gesundheitsschutz: Wie hängen diese zwei Handlungsfelder zusammen?

Thomas Engel: Wir betrachten im GAP-Projekt die betriebliche Praxis der Digitalisierung und die Umsetzung der Vision „Industrie 4.0“. Der Wandel von Arbeit ist für viele Beschäftigten mit den Händen zu greifen. Dabei beobachten wir sowohl neue Belastungen, die Verstärkung bereits bekannter Belastungen aber auch Entlastung für die Beschäftigten. Unsere Fallstudien zeigen etwa eine große Sorge vor datenbasierter Überwachung und Kontrolle. Verstärkt werden technikgetriebene Unterbrechungen und Störungen wahrgenommen – für Arbeitsschützer längst bekannte Belastungen. E-Mails und andere digitale Nachrichten im Alltag tragen zu einer Verdichtung der Arbeit bei.

Maximilian Bretschneider: Körperlich schwere Arbeit oder Arbeit in Gefahrenbereichen werden dagegen mit technologischer Hilfe reduziert. Sie verschwinden jedoch nicht, denken wir an die zunehmenden Tätigkeiten im Sitzen. Neben einer leichten Abnahme physischer Belastungen sehen wir also eine Verschiebung und eine deutliche Zunahme psychischer Belastungen durch neue Technologien.

Das Projekt GAP konzentriert sich auf Branchen, die vom technologischen Wandel besonders betroffen sind: Photonik, Halbleitertechnik und erneuerbare Energien. Welche Einblicke geben Ihre Betriebsfallstudien?

Maximilian Bretschneider: Im Bereich der Halbleitertechnik zeichnet sich die Umsetzung der menschenleeren Fabrik, der umfassenden Vernetzung und Robotisierung am stärksten ab. Als belastend erleben die Beschäftigten hier die Diskrepanz einer Zunahme reiner, oftmals monotoner Überwachungstätigkeiten auf der einen und steigenden Anforderungen an ihre Qualifikation und die Übernahme von Verantwortung auf der anderen Seite. Ebenso wird die Reduktion sozialer Interaktionen als mentale Belastung beschrieben.

Thomas Engel: Die Photonik steht für alle Technologien, die mit Licht umgehen. Ähnlich wie in der Energiebranche sind hier noch viele traditionelle Technologien im Einsatz, so dass die größten Belastungen aus dem Zusammenprall mit neuen Qualifikationsanforderungen entstehen. So werden Einführung oder Updates der betrieblichen Softwaresysteme als belastend empfunden, wenn zu wenig geplant und kommuniziert wird. Das ruft ablehnende Haltungen bis zur Verweigerung von Beschäftigten vor. In einem Unternehmensfall wurde etwa eine neue Anlage so wenig genutzt, dass die fehlende Auslastung zu deren Verschrottung führte – eine verschenkte Investition.

Sind diese Erkenntnisse auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) anderer Branchen übertragbar?

Thomas Engel: Die Arbeitskreise unserer Partnernetzwerke Silicon Saxony, OptoNet und WindEnergy Network werden intensiv von Mittelständlern genutzt. Ihre Nachfrage zeigt, dass die identifizierten Themen branchen- und unternehmensübergreifend relevant sind. So bedarf es etwa betrieblicher Verständigung über die E-Mail-Kommunikation, über die Partizipationsprozesse bei Technologieeinführung und über den Datenschutz. Die GAP-Projekterfahrungen und die entwickelten Instrumente sind übertragbar, auch wenn jeweils unternehmens- und netzwerkspezifische Anpassungen erfolgen.

Welche Gestaltungsinstrumente erarbeitet das Projekt GAP und wie können Unternehmen von diesen profitieren?

Maximilian Bretschneider: Unsere Befunde erfordern einen neuen Umgang mit psychischen Belastungen, mit Beschäftigtendaten sowie mit personellen Potenzialen für die Präventionsarbeit. Deshalb entwickeln wir Hilfestellungen in Form einer fundierten Wissensbasis, in Form von Instrumenten zur betrieblichen Gestaltung und zur Netzwerkarbeit. So entstehen beispielsweise ein neues Modul zur Gefährdungsbeurteilung, das auf neue Technologien fokussiert, eine Handreichung zum Datenschutz und ein Manual zur förderlichen Arbeitsgestaltung im technologischen Wandel.

Thomas Engel: Alle Erkenntnisse bündelnd entstehen ein Fallstudienarchiv als Informationsplattform und eine Toolbox für die Praxis. Unternehmen und Technologie-Netzwerke können somit auf verschiedenen Ebenen von den Projektergebnissen profitieren. Die Spannbreite reicht hier von reiner Informationsbereitstellung bis zur konkreten Anwendungsempfehlung auf betrieblicher Ebene.

Weitere Informationen zum Projekt GAP erhalten Sie unter: www.gesunde-digitale-arbeit.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Interview führte Marie Louise Posdzich.