Mobile Arbeit: Überall, jederzeit?! Das Projekt Prentimo

Mann sitzt im Café und arbeitet mobil

Ob im Zug, Café oder in der Bahn – Arbeit wird immer mobiler. Doch das birgt auch Risiken für die Gesundheit. Welche Maßnahmen erforderlich sind, um mobile Arbeit sicherer und gesünder zu gestalten, erläutert uns Dr. Gerlinde Vogl von der Universität Oldenburg. Sie leitet das Projekt „Präventionsorientierte Gestaltung mobiler Arbeit“ (Prentimo).

Die aktuelle Debatte um Arbeit 4.0 kreist häufig um mobile Arbeit und ihre Gestaltung. Wird der feste Arbeitsplatz zunehmend obsolet? 

Dr. Gerlinde Vogl: Viele Beschäftigte haben heute mehrere Arbeitsplätze. Auch wenn „der“ feste Arbeitsplatz an Bedeutung verliert, so bleibt er doch wichtig. Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz lässt sich nicht komplett in den virtuellen Raum verlegen. Es ist wichtig, dass man seine Kollegen auch sieht, so lassen sich Erfahrungen besser austauschen. 

Mobile Arbeit: Was überwiegt aus Sicht der Beschäftigten, die Chancen oder die Risiken?

Dr. Gerlinde Vogl: Ob sich mobile Arbeit für die Beschäftigten positiv oder negativ auswirkt hängt von Möglichkeiten und Freiräumen bei der Gestaltung der eigenen Arbeit ab. Unsere Befragungsergebnisse zeigen, dass sich mobil Beschäftigte, die einen großen Spielraum bei der Gestaltung ihrer beruflich notwendigen Mobilität haben, weniger belastet fühlen. Das bestätigen letztlich auch die Ergebnisse des kürzlich erschienenen Glücksatlas (www.gluecksatlas.de): Dort wird berichtet, dass Beschäftigte mit der Option zum Homeoffice glücklicher sind. Das liegt allerdings nicht daran, dass es im Homeoffice viel schöner ist als mit den Kollegen im Büro, sondern dass Beschäftigte mit der Option zum Homeoffice ihre Arbeit besser gestalten können, was die Zufriedenheit stärkt.

Wo sehen Sie die größten Stellschrauben im Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Gestaltung mobiler Arbeit?   

Dr. Gerlinde Vogl: Eine zentrale Stellschraube im Arbeits- und Gesundheitsschutz liegt in der Leistungssteuerung, allerdings ist diese Stellschraube schwer zu bewegen. Die Verantwortung ein Projekt mit den bereitgestellten Ressourcen zu schaffen liegt beim Mitarbeiter. Hier nutzt dem Beschäftigten aber die größte Selbstbestimmung nichts, wenn die Zeit zu knapp bemessen ist. Und: der Arbeits- und Leistungsdruck kann sich bei mobiler Arbeit noch verschärfen, denn mobiles Arbeiten – verbunden mit einem hohen Maß an Unterwegssein – ist ein großer Zeitfresser. Reisezeit kann ja nicht immer produktiv genutzt werden. Wenn z. B. ein IT-Berater drei Stunden mit dem Auto zum Kunden und drei wieder zurückfährt, dann ist er schon sechs Stunden unterwegs, seinen Job beim Kunden hat er aber noch nicht erledigt. Der kommt zur Reisezeit noch hinzu. Das kann nicht gesund sein. Von daher ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urt. v. 17.10.2018, 5 AZR 553/17), dass Reisezeit als Arbeitszeit zu werten und zu entlohnen ist, auch für den Gesundheitsschutz eine wichtige Entscheidung. 

Welche Instrumente entwickelt das Projekt Prentimo und wer ist angesprochen?

Dr. Gerlinde Vogl: Für Beschäftigte haben wir in Prentimo einen Fragebogen entwickelt, mit dem typische Belastungen bei mobiler Arbeit erfasst werden können. Der Fragebogen zur Analyse mobiler Arbeit (Amobil) kann z. B. für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung eingesetzt werden. Zudem haben wir einen Workshop „Betriebliches Mobilitätsmanagement gestalten“ konzipiert. Ziel dieses Workshops ist die partizipative Erarbeitung von betrieblichen Maßnahmen zur präventionsorientierten Gestaltung mobiler Arbeit. Ein weiteres Instrument sind die Mobilitätswerkstätten, in denen wir mobil Beschäftigten und Führungskräften Denkanstöße anbieten für die Auseinandersetzung mit der eigenen Situation.

„Lost in Space“ – unter dieser Überschrift lädt Prentimo gemeinsam mit dem Projekt PRÄGEWELT am 23. November 2018 zur Abschlussveranstaltung in München ein. Die Tagung widmet sich mobiler Arbeit und neuen Bürowelten als Präventionsfelder, präsentiert Forschungsergebnisse und zeigt konkrete Gestaltungsmaßnahmen für Unternehmen auf. Zum Programm geht es hier. Die Anmeldung ist bis zum 14. November über das Anmeldetool auf www.prentimo.de möglich. 

Das Interview führte Marie Louise Posdzich.